Wie entscheiden sich die Optionspflichtige zum Staatsangehörigkeitserwerbs nach § 4 Abs. 3 Satz 1 Staatsangehörigkeitsgesetz – Bundesamt für Migration und Flüchtlinge veröffentlicht neue Erkenntnisse über die Optionsregelung.

Seit 2000 ermöglicht eine weitreichende Reform des deutschen Staatsangehörigkeitsrechts die Einführung des Geburtsortprinzips (ius soli). Dies stellt ein ergänzender Modus des Staatsangehörigkeitserwerbs – in Deutschland geborenen Kindern ausländischer Eltern erwerben unter bestimmten Voraussetzungen die deutsche Staatsangehörigkeit bereits mit der Geburt (§ 4 Abs. 3 Satz 1 Staatsangehörigkeitsgesetz (StAG)).

In § 4 Abs. 3 und § 40b StAG werden abweichend vom sonst im deutschen Staatsangehörigkeitsrecht vorherrschenden Abstammungsprinzip (ius-sanguinis-Erwerb) zwei Sonderfälle des ius-soli-Erwerbs geregelt. In Deutschland geborene Kinder ausländischer Eltern erhalten bei Geburt in Deutschland die deutsche Staatsangehörigkeit, wenn mindestens ein Elternteil zu diesem Zeitpunkt seit acht Jahren seinen gewöhnlichen rechtmäßigen Aufenthalt in Deutschland hat und ein unbefristetes Aufenthaltsrecht besitzt (§ 4 Abs. 3 des StAG). Gemäß einer Übergangsregelung (§ 40b StAG) konnte dies im Jahr 2000 auch rückwirkend für Kinder im Alter von bis zu zehn Jahren beantragt werden.

 

Alle ius soli-Deutschen unterliegen jedoch der sogenannten Optionsregelung: sie müssen sich zwischen dem 18. und 23. Lebensjahr entscheiden, ob sie die deutsche Staatsangehörigkeit oder die Staatsangehörigkeit ihrer Eltern behalten wollen (§ 29 Abs. 1 StAG). Dem Prinzip der Vermeidung von Mehrstaatigkeit wird in dem in § 29 geregelten Verfahren Rechnung getragen, wonach die durch die vorgenannten Konstellationen eingetretene Mehrstaatigkeit durch eine Entscheidung der Betroffenen entweder nur auf die deutsche oder die ausländische Staatsangehörigkeit zurückgeführt werden. Die ersten Erklärungen waren ab dem 1. Januar 2008 abzugeben.

 

Klare Entscheidungstendenz für den deutschen Pass.

Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) führte im Auftrag des Bundesministeriums des Innern zwei Studien zur Optionsregelung sowie zum Einbürgerungsverhalten in Deutschland allgemein durch und veröffentlichte neulich die Ergebnisse. Die zwei neuen Studien des BAMF liefern Ergebnisse zu den Fragen, welche aktuellen Erkenntnisse gibt es zum Entscheidungsverhalten von Optionspflichtigen und rund um das Einbürgerungsgeschehen in Deutschland. Ziel der qualitativen Studie war die Gewinnung systematischer Erkenntnisse zum Entscheidungsverhalten und zu den dahinter liegenden Prozessen aus Sicht der Betroffenen. Es wurde festgestellt, dass eine klare Tendenz der Optionspflichtigen zur Entscheidung für die deutsche Staatsangehörigkeit besteht. Dem Entscheidungsverhalten liegen sowohl pragmatische (alltagspraktische Verbundenheit, Lebensmittelpunkt, rechtliche Gleichstellung) als auch emotionale Gründe (Zugehörigkeitsgefühle; das Gefühl, in Deutschland verwurzelt zu sein; der Geburtsort – im Falle, wenn dies Deutschland ist) zugrunde.

Zwischen 2000 und 2010 haben insgesamt rund 444.000 Kinder die deutsche Staatsangehörigkeit nach den §§ 4 Abs. 3 Satz 1 StAG sowie 40b StAG erworben. Laut der Untersuchung sind 92 % davon heute noch mit ihrer Entscheidung zufrieden.

 

Eine höhere Beratungsintensität ist geboten

Das BAMF stellt in den oben bezeichneten Studien als Ergebnis der qualitativen Untersuchung fest, dass es bei einem nicht geringerem Teil der befragten Optionspflichtigen Informationsmängel und Fehleinschätzungen bezüglich des Optionsverfahrens erkennen lässt. Dabei gehe es z.B. um Fristen (insbesondere für die Stellung eines Antrags auf Beibehaltungsgenehmigung), um die notwendigen Verfahrensschritte und darum, wer diese jeweils einzuleiten hat. Zudem sei eine generelle Unsicherheit bezüglich der Regelungen zur Mehrstaatigkeit in Deutschland erkennbar, d.h. in welchen Fällen diese (dauerhaft) erlaubt ist oder nicht.

Dies wäre darauf zurückzuführen, dass Optionspflichtige kaum Beratung in Anspruch nehmen. Die Thematik werde vor allem im engeren familiären Umfeld und mit Gleichaltrigen besprochen, oder es werde Internetrecherchen angestellt, die aber z.T. zweifelhafte Ergebnisse erbringe, so das BAMF.

 

Verfahren im Rahmen des Optionsmodells

Die für die Durchführung des Optionsverfahrens erforderlichen Daten werden von der zuständigen Meldebehörde nach § 34 Abs. 1 StAG der für die Wohnung der erklärungspflichtigen Person zuständigen Staatsangehörigkeitsbehörde übermittelt. Ist eine erklärungspflichtige Person nach „Unbekannt verzogen“ und hat sie sich bis zum maßgeblichen Zeitpunkt nicht wieder bei einer Meldebehörde angemeldet, so übermittelt die bisher zuständige Meldebehörde die Daten an die Staatsangehörigkeitsbehörde der zuletzt gemeldeten Wohnung, die dann das Optionsverfahren durchzuführen hat.

 

Unabhängig davon, dass Angehörige eines Mitgliedstaates der Europäischen Union oder der Schweiz sowohl im Anspruchs- als auch im Ermessensbereich unter Hinnahme von Mehrstaatigkeit eingebürgert werden (§ 12 Abs. 2 StAG), ist für den genannten Personenkreis das Optionsverfahren nach § 29 StAG weiterhin beachtlich. Auf die Erteilung einer Beibehaltungsgenehmigung haben die Betroffenen einen Anspruch. Für Optionspflichtige, bei denen die ausländische eine EU-Staatsangehörigkeit ist, besteht über einen bis zum 21. Geburtstag zu stellenden Beibehaltungsantrag generell die Möglichkeit, beide Staatsangehörigkeiten zu behalten.

 

Die zuständige Staatsangehörigkeitsbehörde hat die Personen, die nach § 4 Abs. 3 oder § 40b StAG die deutsche Staatsangehörigkeit erworben haben, auf ihre Verpflichtungen und die Rechtsfolgen hinzuweisen (§ 29 Abs. 5 StAG). Dieser Hinweis soll mindestens folgenden Inhalt haben:

  1. Unterrichtung über die Notwendigkeit, sich entweder für die deutsche oder die ausländische Staatsangehörigkeit zu entscheiden,
  2. Benennung der Frist, innerhalb derer die Erklärung abgegeben werden muss,
  3. Information über die Möglichkeit eines Antrages auf Beibehaltung der deutschen Staatsangehörigkeit bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres und über die Voraussetzungen für eine positive Entscheidung,
  4. Unterrichtung über den Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit kraft Gesetzes, wenn keine Erklärung oder eine Erklärung zugunsten einer anderen Staatsangehörigkeit abgegeben wird
  5. Vorlage eines Nachweises über die erfolgte Aufgabe der ausländischen Staatsangehörigkeit(en).

 

Es wird nach einem fachlichen Rat gefragt.

Unter dem negativen Spektrum der in den Studien des BAMF dargestellten Bewertungen des Betroffenen sind die Feststellungen zu lesen, dass es sich mit Blick auf die deutschen Behörden der Wunsch nach Gewährung mehr Informationen erkennen lässt. Das eher nüchterne Aufforderungsanschreiben der Behörde genügt nicht, um klar und verständlich zu machen, mit welchen Vor- oder Nachteile die verschiedenen Entscheidungsvarianten verbunden sind. Eine Interviewpartnerin äußere in diesem Zusammenhang die Kritik, dass sie sich beim Behördenkontakt in Richtung deutsche Staatsangehörigkeit „gedrängt“ gefühlt habe, ohne sich aber wirklich im Klaren gewesen zu sein, was für diese Wahl (oder auf der anderen Seite für die Wahl der ausländischen Staatsangehörigkeit) spricht, so die genannte Studie.

 

Zur Bedeutung von der Staatsangehörigkeit für die Optionspflichtigen und zur Bewusstwerdung hinsichtlich ihrer Optionspflicht, bei der Wahrnehmung des Kontaktes mit den Behörden, entstehen nicht selten Fragen bei den Betroffenen. Dabei könnten mögliche Nachteile infolge der Fehleinschätzungen und mangelndes Wissenstandes durch eine fachliche Beratung vermieden werden.

 

Mariyana Marinova, LL.M.