Stichwort: Sozialrecht

Das Beitragsschuldengesetz (KVBeitrSchG,G. v. 15.07.2013 BGBl. I S. 2423 (Nr. 38); Geltung ab 01.08.2013) hilft Betroffenen mit Beitragsschulden in der Krankenversicherung, Beitragszahlungen wieder aufzunehmen und in einen Versicherungsschutz zurückzukehren.

Das „Gesetz zur Beseitigung sozialer Überforderung bei Beitragsschulden in der Krankenversicherung“ (KVBeitrSchG) trat am 1. August 2013 in Kraft. Durch die Neuregelungen des Gesetzes sind in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) Ermäßigung und Erlass von Beitragsschulden und Säumniszuschlägen vorgesehen, sowie in der privaten Krankenversicherung (PKV) einen Notlagetarif eingeführt.

 1.Seit dem 1. April 2007 bestehet  Versicherungspflicht in der GKV für alle Personen, die keine andere Absicherung im Krankheitsfall haben und vorher schon einmal in der GKV versichert waren oder der GKV zuzuordnen sind (dies wird als „nachrangige Versicherungspflicht“ bezeichnet). Der entsprechende Auffangtatbestand für eine Versicherungspflicht nicht anderweitig Versicherter wurde mit § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V durch das GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz (GKV-WSG)mit Wirkung zum 01.04.2007 eingeführt. Die Versicherung tritt bei Vorliegen ihrer Voraussetzungen kraft Gesetzes ein. Eine hierfürkonstitutive Meldung der betreffenden Person oder Feststellung der Krankenkasse ist es nicht erforderlich.

 

Die Personen, die sich trotz der bestehenden Versicherungspflicht in der GKV verspätet oder noch nicht bei einer Krankenkasse gemeldet haben und dadurch Beitragsschulden angehäuft haben, bekommen die Beitragsschulden für zurückliegende Zeiträume sowie die Säumniszuschläge erlassen und können ihre Versicherungspflicht erfüllen. Die Voraussetzung dafür ist, dass sie sich bis zum 31. Dezember 2013 bei der Krankenkasse melden und nie Leistungen in Anspruch genommen haben. Dies sieht der eingefügte § 256a SGB V über Ermäßigung und Erlass von Beitragsschulden und Säumniszuschlägen vor für die nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V Versicherten. Ähnliche Regelungen in der PKV enthält § 193 Abs. 6 ff. VVG.Auch nachrangig versicherungspflichtige Mitglieder, die sich bereits bei einer Krankenkasse versichert haben, bekommen für den Zeitraum zwischen dem Eintritt der Versicherungspflicht am 1. April 2007 und der Meldung bei der Krankenkasse die Beitragsschulden und die Säumniszuschläge rückwirkend erlassen.

 

Für säumige freiwillig versicherte Selbständige ist ein Erlass der Beitragsschulden nicht vorgesehen, da sie Leistungen in Anspruch nehmen konnten. Anders ist bei den nicht gemeldeten Mitglieder die erhebliche finanzielle Belastung (in Einzelfällen müssen Beiträge für mehr als sechs Jahre nachgezahlt werden) durch die rückwirkend festgestellten Versicherungspflicht entstanden, einen Zeitraum also, für den in der Regel keine Leistungen gewährt wurden. Damit bleibt gegenüber den zahlenden Mitgliedern der Solidargemeinschaft das Prinzip der Beitragsgerechtigkeit gewahrt. Mit dem Erlass der Beitragsschulden sollen die Betroffenen die Möglichkeit erhalten, laufende Beitragszahlungen aufzunehmen und so ihren Versicherungsschutz uneingeschränkt in Anspruch nehmen zu können.

 

2.Nach der bis 31.07.2013 geltenden Rechtslage wurden auf die Beitragsschuld in der gesetzlichen Krankenversicherung erhöhte Säumniszuschläge von 5 Prozent für jeden angefangenen Monat der Säumnis erhoben (§ 24 Abs. 1a SGB IV). Die obige Vorschrift bezweckte, dass die Mitgliedschaft der Versicherten, die ihrer Beitragszahlungspflicht nicht nachgekommen sind, trotz der rückständige Beiträge nicht beendet wird und ihre Versicherungsschutz bestehen bleibt. Dieser erhöhte 5%-ige Säumniszuschlag wurde auch für freiwillige Mitglieder angeordnet. Die erhöhten Säumniszuschläge dienten dem Ziel, eine umfassende Versicherung aller in Deutschland lebenden Menschen (Volksversicherung) zu gewähren und dennoch das Beitragsaufkommen und damit die Solidargemeinschaft zu sichern. Als Folge ist es jedoch zu erheblichen Beitragsrückständen und wirtschaftlichen Probleme dieser Versichertengruppe gekommen, zur Abhilfe deren das obige Gesetz gedacht ist. Eine weitere Neuregelung sieht vor, dass der Säumniszuschlag in Zukunft mit Wirkung ab dem 01.08.2013nicht mehr 5 Prozent, sondern 1 Prozent beträgt. Von dieser Neuregelung profitieren auch die freiwillig Versicherten. Der § 24 Abs. 1a SGB IV wurde durch das neue Gesetz aufgehoben und damit der 5%-igen Säumniszuschlages abgeschafft.

 

3.Gemäß dem Regelungsauftrag des § 256a Abs. 4 S. 1 SGB V  an den Spitzenverband Bund der Krankenkassen hat der GKV-Spitzenverband mit den Einheitlichen Grundsätzen zur Beseitigung finanzieller Überforderung bei Beitragsschulden vom 04.09.2013, welche vom Bundesministerium für Gesundheit am 16.09.2013 zugestimmt wurden, das Nähere zur Ermäßigung und zum Erlass von Beiträgen und Säumniszuschlägen, geregelt (§ 256a Abs. 4 SGB V). Gemäß der differenzierende Regelung des neu eingeführten § 256a SGB V und der Regelung des GKV-Spitzenverbandes ergeben sich in der Praxis folgende Fallkonstellationen zu einem stichtagabhängiger Erlass oder Ermäßigung.

 

a)    Eine Person, die der Versicherungspflicht unterliegt und sich bei der Krankenkasse bisher nicht gemeldet hat, holt dies bis zum 31. Dezember 2013 nach. Für den Zeitraum zwischen dem 1. April 2007 bis zur Meldung bei der Krankenkasse (spätestens 31. Dezember 2013) werden im Regelfall sowohl der Beitragsschuld, als auch die Säumniszuschläge, die für diesen Zeitraum erhoben werden könnten, vollständig erlassen (§ 256a Abs. 2 SGB V Satz 1).

 

b)    Die Vergünstigung des § 256a Abs. 2 Satz 1 SGB V (Erlass aller noch ausstehenden Beiträge und Säumniszuschläge) gilt ferner auch für jene nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V Versicherten, die sich bei ihrer Krankenkasse schon bis zum 31.07.2013 gemeldet haben. (§ 256a Abs. 2 SGB V Satz 2).

 

c)    Eine Person, die seit dem 1. April 2007 der Versicherungspflicht unterliegt, meldet sich nach dem 31. Dezember 2013 (beispielsweise am 1. März 2014) bei der Krankenkasse. Für den Zeitraum zwischen dem 1. April 2007 und dem 28. Februar 2014 werden der Beitragsschuld im Regelfall angemessen ermäßigt (aber nicht vollständig erlassen) (§ 256a Abs. 1 HS 1. SGB V). Die Säumniszuschläge sind zu erlassen (§ 256a Abs. 1 HS 2. SGB V).

 

Die Voraussetzung für alle drei Fallkonstellationen ist, dass der Versicherte während des Nacherhebungszeitraums Leistungen für sich nicht in Anspruch genommen hat oder im Falle in Anspruch genommener Leistungen auf eine Kostenübernahme oder Kostenerstattung verzichtet. Unter ‚Nacherhebungszeitraum‘ ist die Zeit zu verstehen seit dem Beginn der Versicherungspflicht bis zum Ende des Monats, der dem Tag der Anzeige vorhergeht. Der Nacherhebungszeitraum muss mehr als drei Monate umfassen.

Nach der allgemeinen Regelung des § 76 SGB IV dürfen die Krankenkassen regelmäßig unter bestimmten Voraussetzungen Ansprüche (u.a. auf Beiträge und Säumniszuschläge) stunden, niederschlagen oder erlassen und bzw. von dem Instrument des Erlasses Gebrauch machen sollen.

§ 256a Abs. 1 SGB V stellt eine Sonderreglung zu § 76 SGB IV dar und hat nur Relevanz, soweit rückständige Beiträge und hierauf entfallende Säumniszuschläge nicht bereits nach der „Amnestieregelung“ des § 256a Abs. 2 SGB V erlassen werden können.

Für die übrigen Beitragsrückstände und hierauf entfallende Säumniszuschläge der nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V Versicherten entscheiden die Krankenkassen über eine Beitragsermäßigung oder einen Erlass von Säumniszuschlägen nicht nach der allgemeinen Vorschrift des § 76 SGB IV, sondern nach der Sonderregelung des § 256a Abs. 1 SGB V.

 

Advokat Mariyana Marinova LL.M.