Streitig ist zwischen den Parteien die Berücksichtigung von Aufwendungen als außergewöhnliche Belastung bei der Einkommensteuer. Hintergrund des Rechtsstreit vor dem Finanzgericht Düsseldorf, Urteil vom 21.02.2012, Az.: 10 K 2504/10, ist die Höhe der Geltendmachung von Aufwendungen, die mit dem Einzug in das Wohnheim und der Pflegebedürftigkeit der Klägerin im Zusammenhang stehen.

 

I. Entscheidungsgründe

Nach § 33 Abs. 1 EStG wird die Einkommensteuer auf Antrag ermäßigt, wenn einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstandes erwachsen, sog. außergewöhnliche Belastung. Nach ständiger Rechtsprechung sind Aufwendungen außergewöhnlich, wenn sie nicht nur der Höhe, sondern auch ihrer Art und dem Grunde nach außerhalb des Üblichen liegen. Die üblichen Aufwendungen der Lebensführung, die in Höhe des Existenzminimums durch den Grundfreibetrag abgegolten sind, sind aus dem Anwendungsbereich des § 33 EStG ausgeschlossen. Zu den üblichen Aufwendungen der Lebensführung rechnen regelmäßig auch die Kosten für die altersbedingte Unterbringung in einem Altenheim. Dagegen sind Aufwendungen für die Pflege eines pflegebedürftigen Steuerpflichtigen ebenso wie Krankheitskosten eine außergewöhnliche Belastung i. S. d. § 33 EStG aus tatsächlichen Gründen. Allerdings kann auch im Falle der Heimunterbringung der Tatbestand des § 33 EStG erfüllt sein, wenn der dortige Aufenthalt ausschließlich durch eine Krankheit veranlasst ist. Denn zu den Krankheitskosten gehören nicht nur die Aufwendungen für medizinische Leistungen im engeren Sinne, sondern auch solche für eine krankheitsbedingte Unterbringung, BFH-Urteil vom 24. Februar 2000 III R 80/97, wenn der Betroffene infolge einer Krankheit pflegebedürftig geworden ist.

Die Klägerin ist als pflegebedürftige Person nach ihrer Krankheit der Pflegestufe III zugeordnet worden, §§ 14, 15 SGB XI. Ebenfalls hat die Hausärztin der Klägerin mit Attest bescheinigt, dass aus ärztlicher Sicht bei ihr eine intensive Betreuung z. B. in einem Heim notwendig ist. Damit sind dem Grunde nach die Kosten der Unterbringung in einer Senioreneinrichtung als außergewöhnliche Belastung gemäß § 33 EStG berücksichtigungsfähig.

Der Höhe nach sind die Aufwendungen jedoch nicht über den bereits vom Beklagten anerkannten Betrag hinaus berücksichtigungsfähig. Nach der zitierten höchstrichterlichen Rechtsprechung gelten für den Abzug von Aufwendungen für die Heimunterbringung als Krankheitskosten die allgemeinen Grundsätze über die Abziehbarkeit von Krankheitskosten, so zuletzt BFH-Urteil vom 13. Oktober 2010 VI R 38/09. Danach kommt ein Abzug als außergewöhnliche Belastung nur insoweit in Betracht, als die Aufwendungen der Art und der Höhe nach zwangsläufig, nämlich den Umständen nach, notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen (§ 33 Abs. 2 Satz 1 EStG; vgl. dazu Schmidt, EStG, 30. Aufl., § 33 Rz 30).Mit diesen Grundsätzen ist die Ansicht der Kläger, dass sämtliche Kosten, die im Zusammenhang mit dem Bezug einer Senioreneinrichtung anfallen, stets als außergewöhnliche Belastung ohne Rücksicht auf ihre Höhe berücksichtigungsfähig sind, nicht vereinbar. Diese, auf die subjektiven Bedürfnisse des Steuerpflichtigen abstellende Betrachtungsweise, würde gegen den auch im Steuerrecht zu beachtenden Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes verstoßen. Anzuknüpfen ist vielmehr an die Rechtsprechung des BFH, wonach als Krankheitskosten i. S. d. § 33 Abs. 1 EStG die Aufwendungen für die Heimunterbringung in einem Alters- oder Pflegeheim abziehbar sind. Allerdings fehlt eine Heimdefinition sowohl im EStG als auch in den Einkommensteuer-Richtlinien (EStR). Wenn das Einkommensteuerrecht z. B. in § 33 b Abs. 7 EStG i. V. m. § 65 Abs. 2 Satz 2 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV) auf die Einstufung in eine Pflegestufe nach SGB XI als Nachweis für die Voraussetzungen der Inanspruchnahme bestimmter Pauschbeträge zum Ausgleich außergewöhnlicher Belastungen Bezug nimmt, bietet es sich an, auch für die Ermittlung steuerlich berücksichtigungsfähiger Heimunterbringungskosten die Vorschriften des SGB XI heranzuziehen. Nach SGB XI werden Pflegeeinrichtungen in ambulante Pflegeeinrichtungen oder Pflegedienste, § 71 Abs. 1 SGB XI, und stationäre Pflegeeinrichtungen oder Pflegeheime nach § 71 Abs. 2 SGB XI unterschieden. Im konkreten Fall liegt der Abschluss eines zusätzlichen Pflegevertrages vor. Es ist daher sachgerecht, den als außergewöhnliche Belastung berücksichtigungsfähigen Betrag für Unterkunft und Verpflegung in einer Senioreneinrichtung auf den Betrag zu begrenzen, der auch bei Abschluss eines Pflege-Wohnvertrages dafür anfällt.

Werden Kosten einer Heimunterbringung dem Grunde nach als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt, sind sie nur insoweit gemäß § 33 Abs. 1 EStG abziehbar, als sie die zumutbare Belastung, § 33 Abs. 3 EStG sowie die sogenannte Haushaltsersparnis übersteigen. Nur in dieser Höhe entstehen dem Steuerpflichtigen hierdurch gegenüber seiner bisherigen Lebensführung zusätzliche Kosten. Entsprechend sind Unterbringungskosten um eine Haushaltsersparnis, die der Höhe nach den ersparten Verpflegungs- und Unterbringungskosten entspricht, zu kürzen.

 

II. Praxistipp

Zur Fortbildung des Rechts, § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO, hat das Gericht die Revision zugelassen. Zur Frage, welche Kosten der Unterbringung und Verpflegung bei Pflegebedürftigen, die zwar in einer Senioreneinrichtung leben aber dort keinen Pflege-Wohnvertrag abgeschlossen haben, als außergewöhnliche Belastung abzugsfähig sind, liegt soweit ersichtlich noch keine höchstrichterliche Entscheidung vor, so dass die weitere Entwicklung abzuwarten bleibt.