Mehrstaatigkeit bedeutet, dass eine Person zwei oder mehr Staatsangehörigkeiten gleichzeitig besitzt. Der Grundsatz der Vermeidung von Mehrstaatigkeit bleibt kennzeichnend für das Staatsangehörigkeitsrecht, da dadurch besonders enge Rechtsbeziehungen zu mehreren Staaten entstehen, die zu Widersprüchlichkeiten führen können, z.B. zur Wehrpflicht in zwei Staaten. Das Prinzip der Vermeidung von Mehrstaatigkeit bedeutet, dass die Einbürgerungswillige prinzipiell ihre bisherige ausländische Staatsangehörigkeit ablegen müssen.

Jedoch enthält das Einbürgerungsrecht in Deutschland Ausnahmeregelungen, durch die die Beibehaltung der bisherigen Staatsangehörigkeit gestattet wird. Die Ausnahmeregelungen sind in § 12 Staatsangehörigkeitsgesetz ( StAG ) abschließend aufgezählt.

Besondere Erleichterungen bei der Beibehaltung der alten Staatsangehörigkeit gibt es im Verhältnis zu den meisten EU-Ländern. Im Hinblick auf das Ziel der europäischen Integration hat der Gesetzgeber eine spezielle Regelung getroffen: Bei der Einbürgerung von Staatsangehörigen eines Mitgliedstaates der Europäischen Union wird generell nicht mehr zur Einbürgerungsvoraussetzung gemacht, dass zuvor dessen Staatsangehörigkeit aufgegeben wird (§ 12 Abs. 2 StAG).

In der bis 28.08.2007 geltenden Fassung des § 12 Abs. 2 StAG bestand die Gegenseitigkeitserfordernis: „…wenn Gegenseitigkeit besteht“.

Mit dem Inkrafttreten der Änderung des StAG zum 28. August 2007 fällt der Begriff der „Gegenseitigkeit“ in Absatz 2 weg. Es hat sich ergeben, dass das Tatbestandsmerkmal „Gegenseitigkeit“ bei der Hinnahme von Mehrstaatigkeit in den Fällen der Einbürgerung von EU-Staatsangehörigen sowohl rechtlich als auch praktisch Probleme bereitet. Die Abhängigkeit von der Auslegung und der Anwendung des ausländischen Staatsangehörigkeitsrechts hat sich insgesamt als nicht vorteilhaft herausgestellt. Mit dem Wegfall des früheren Gegenseitigkeitserfordernisses hängt die Frage, ob mit der deutschen Einbürgerung die Staatsangehörigkeit des anderen Mitgliedstaates fortbesteht, allein davon ab, ob dessen Recht dies zulässt. Derzeit ist dies nur noch bei wenigen Mitgliedstaaten nicht der Fall.

Ob und unter welchen Voraussetzungen der andere Staat die mehrfache Staatsangehörigkeit zulässt, kann nur von den dortigen Behörden geklärt werden.[divider]

I.  Bulgarien ermöglicht die doppelte Staatsbürgerschaft.

Nach bulgarischem Recht ist die doppelte Staatsbürgerschaft erlaubt. Es gibt kein Hindernis, bulgarische Staatsbürger, die die bulgarische Staatsbürgerschaft nach dem Geburtsortprinzip oder nach der Herkunft besitzen, eine andere Staatsbürgerschaft zu erwerben. Wenn Sie eine neue Staatsangehörigkeit erwerben, verlieren sie nicht automatisch die bulgarische Staatsangehörigkeit. Entlassung von der bulgarischen Staatsbürgerschaft ist nur durch den Verwaltungsakt des Präsidenten der Republik, im Rahmen eines Verfahrens nach dem bulgarischen Gesetz über bulgarische Staatsbürgerschaft möglich.

 

Art. 20. des Gesetzes über bulgarische Staatsangehörigkeit: Bulgarischer Staatsbürger, der dauerhaft im Ausland aufhält, kann die Entlassung aus der bulgarischen Staatsbürgerschaft beantragen, wenn er eine fremde Staatsangehörigkeit erworben hat oder wenn ein anhängiges Verfahren für den Erwerb ausländischer Staatsbürgerschaft vorliegt.

Чл. 20. oт „Закона за българското гражданство“: Български гражданин, който постоянно живее в чужбина, може да поиска освобождаване от българско гражданство, ако е придобил чуждо гражданство или ако има данни за открита процедура за придобиване на чуждо гражданство./

Natürlich ist das souveräne Recht jedes Staates selbst in seinen innerstaatlichen Rechtsvorschriften das Institut der Staatsbürgerschaft zu definieren. Das bulgarische Einbürgerungsrecht hat sich auch in dieser Hinsicht geändert und setzt unterschiedliche Maßstäbe. Durch die Änderung des Gesetzes über bulgarische Staatsbürgerschaft ist es vorgesehen, dass der Erwerb der bulgarischen Staatsbürgerschaft durch Einbürgerung nur unter der Bedingung gestattet ist, dass die Person zum Zeitpunkt des Erwerbs der bulgarischen Staatsbürgerschaft aus seiner ausländischen Staatsbürgerschaft entlassen wird.

Das bulgarische Recht trifft hier eine andere Politik zu der doppelten Staatsbürgerschaft, je nachdem, ob die bulgarischen Bürger nach der Herkunft oder dem Geburtsortsprinzip die bulgarische Staatsbürgerschaft besitzen oder sie die bulgarische Staatsbürgerschaft durch Einbürgerung erwerben wollen.

Einerseits bliebt das Prinzip, dass ein bulgarischer Staatsbürger, der gleichzeitig ein Staatsbürger eines anderen Staates ist, nur als bulgarischen Staatsbürger bei der Anwendung des bulgarischen Rechts behandelt wird (Art. 3. des Gesetzes über bulgarische Staatsangehörigkeit), und zweitens wird vorgesehen, dass, bei dem Erwerb der bulgarischen Staatsbürgerschaft durch Einbürgerung, der Kandidat keine andere Staatsbürgerschaft haben darf.

Art. 3. des Gesetzes über bulgarische Staatsbürgerschaft: Bulgarischer Staatsbürger, der auch ein Staatsbürger eines anderen Staates ist, wird nur als bulgarischen Staatsbürger bei der Anwendung des bulgarischen Rechts behandelt, sofern das Gesetz nichts anderes vorsieht.

Чл. 3. oт „Закона за българското гражданство“: Български гражданин, който е и гражданин на друга държава, се смята само за български гражданин при прилагането на българското законодателство, освен ако в закон е предвидено друго./

Die bulgarischen Bürger, die nach 28.08.2007 die deutsche Staatsbürgerschaft beantragen, müssen die bulgarische Staatsbürgerschaft nicht aufgeben, obwohl, wie oben dargestellt, keine Gegenseitigkeit im Einbürgerungsrecht in Bulgarien und in Deutschland besteht.

 

I. Keine Beibehaltungsgenehmigung mehr nötig bei Einbürgerung eines deutschen Staatsangehöriges in einem EU-Staat oder der Schweiz

Ein deutscher Staatsangehöriger hat in Ausnahmefällen die Möglichkeit, bei Erwerb einer ausländischen Staatsangehörigkeit seine deutsche Staatsangehörigkeit beizubehalten. Hierzu ist erforderlich, dass er vor Erwerb der ausländischen Staatsangehörigkeit auf Antrag die Genehmigung zur Beibehaltung der deutschen Staatsangehörigkeit erhält.

Keine Beibehaltungsgenehmigung ist erforderlich beim Erwerb einer Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats der Europäischen Union oder der Schweiz, wenn der Erwerb nach dem 27.08.2007 erfolgt. Die deutsche Staatsangehörigkeit geht dadurch nicht verloren.
In diesen Fällen ist daher auch keine Beibehaltungsgenehmigung mehr erforderlich.

(Rechtsgrundlage: § 25 Abs. 1 S. 2 Staatsangehörigkeitsgesetz in der ab 28.08.2007 geltenden Fassung)

Mariyana Marinova, LL.M.
22.03.2011