Der Europäische Gerichtshof hat mit Urteil vom 10. Juli 2014 in der Rechtssache Dogan (C-138/13) entschieden, dass ein Ehegatte eines türkischen Selbstständigen keine deutschen Sprachkenntnisse beim Familiennachzug nachweisen muss. Die 2007 eingeführte Sprachforderung in § 30 Abs. 1 Nr. 2 des Aufenthaltsgesetzes verstößt gegen das Unionsrecht, da diese nicht mit der Stillhalteklausel des Assoziierungsabkommens mit der Türkei vereinbart ist.

Die 1970 geborene Klägerin, die türkische Staatsangehörige ist und in der Türkei lebt, möchte zu ihrem Ehemann nach Deutschland ziehen. Ihr Ehemann, der ebenfalls türkischer Staatsangehöriger ist, lebt seit 1998 in Deutschland, wo er eine GmbH als deren Mehrheitsgesellschafter leitet und eine Niederlassungserlaubnis besitzt. Wegen des fehlenden Nachweises deutscher Sprachkenntnisse lehnte die Deutsche Botschaft in Ankara den Antrag von Frau Dogan auf Erteilung eines Visums für den Ehegattennachzug ab. Sie erhob daher  Klage beim Verwaltungsgericht Berlin und es legte seine Fragen nach der Auslegung des Unionsrechts im Wege eines Vorabentscheidungsersuchens dem Gerichtshof vor.

Art. 41 Abs. 1 des Zusatzprotokolls vom 23. September 1970 zum Assoziierungsabkommen mit der Türkei schreibt vor, dass die Vertragsparteien untereinander keine neuen Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs einführen. Als neu gelten dabei Beschränkungen, die nicht schon bestanden, als diese Klausel für den jeweiligen Mitgliedstaat in Kraft trat (für Deutschland: 1. Januar 1973).

Das Europäische Gerichtshof betont, dass die Stillhalteklausel einer nationalen Regelung entgegensteht, die eingeführt wurde, nachdem diese Klausel in dem betreffenden Mitgliedstaat in Kraft getreten ist, und vorschreibt, dass der Ehegatte eines in diesem Staat wohnenden türkischen Staatsangehörigen, um zum Zweck der Familienzusammenführung in das Hoheitsgebiet dieses Staates einreisen zu können, vor der Einreise nachweisen muss, dass er einfache Kenntnisse der Amtssprache dieses Mitgliedstaats erworben hat.

Die Familienzusammenführung sei „ein unerlässliches Mittel zur Ermöglichung des Familienlebens türkischer Erwerbstätiger“ die in der Europäischen Union arbeiten. Die Familienzusammenführung verbessere für die Betroffenen die „Qualität ihres Aufenthalts“ und fördere ihre Integration in den jeweiligen EU-Staaten, so der Gerichtshof.

Der Gerichthof entscheidet ausschließlich die Frage, ob die Sprachanforderungen beim Ehegattennachzug mit dem Art. 41 des Zusatzprotokolls vereinbar ist. Damit ist nur geklärt, dass der Nachzug von Familienangehörigen zu türkischen Selbstständigen nicht vom Nachweis einfacher deutscher Sprachkenntnisse abhängig gemacht werden darf.

 Die weitergehende Frage, ob das Spracherfordernis insgesamt europarechtswidrig ist und gegen Art. 7 der Richtlinie 2003/86/EG des Rates vom 22. September 2003 betreffend das Recht auf Familienzusammenführung (ABl. L 251, S. 12) dem Spracherfordernis entgegensteht, wird nicht entschieden.

Der EuGH führt aus, dass, auch wenn man davon ausgeht, dass die von der deutschen Regierung angeführten Gründe (die Bekämpfung von Zwangsheiratungen und die Förderung der Integration) zwingende Gründe des Allgemeininteresses darstellen können, eine nationale Regelung wie das fragliche Spracherfordernis über das hinausgeht, was zur Erreichung des verfolgten Ziels erforderlich ist, da der fehlende Nachweis des Erwerbs hinreichender Sprachkenntnisse automatisch zur Ablehnung des Antrags auf Familienzusammenführung führt, ohne dass besondere Umstände des Einzelfalls berücksichtigt werden.

Dem obigem Urteil zufolge lässt sich die Überlegung ableiten, dass zumindest die Möglichkeit einer Einzelfallentscheidung im Sinne von einer Härtefallregelung in § 30 AufenthG einzuführen wäre und damit die deutsche Regelung in Einklang mit Europarecht gebracht zu werden.

Quellen: http://curia.europa.eu/

14. Juli 2014

Advokat Advokat Marinova, LL.M.