I. Sachverhalt

 

Der Entwurf eines Gesetzes über die Neugliederung der Gemeinden im Land Sachsen-Anhalt, betreffend der einzelnen Landkreise (GemNeuglG) sieht in § 2 „Einheitsgemeinde“ des jeweiligen Gesetzes für den jeweiligen Landkreis vor, dass die Gemeinden in die jeweilige Einheitsgemeinde einzugemeinden ist.

 

Das entsprechende Gesetz soll bis zur Sommerpause des Landtages verabschiedet werden.

 

Der Zeitplan des Landtags sieht folgendes vor:

 

Der Landtag hat in der „Februar-Landtagssitzung“ die speziellen 11 Landkreisgesetze und das 2. Begleitgesetz zur Gemeindegebietsreform in erster Lesung debattiert. Darin sind Vorschläge für die erforderlichen Zuordnungen, Eingemeindungen, Neubildungen oder Auflösungen der Gemeinden in einem Landkreis enthalten.

 

Deutlich wurde, dass nach wie vor 151 Gemeinden noch selbstständig sind, die nach den Vorstellungen der Landesregierung eingegliedert werden sollen. In drei Fällen, die allerdings im Süden des Landes Sachsen-Anhalt sind, findet eine andere Zuordnung statt, als ursprünglich angestrebt.

 

Die Anhörung für die 12 Gesetze findet nunmehr im Landtag am 06./07. Mai dieses Jahres statt und der Innenausschuss wird sich am 05./06.06 mit der Thematik noch einmal beschäftigen und ein abschließendes Votum für die Landtagssitzung am 17./18. Juni dieses Jahres arbeiten.

 

Nach den Vorstellungen der Landesregierung soll dann am 01.01.2011 die Reform abgeschlossen sein.

 

Der jetzige Gesetzentwurf sieht vor, dass auch die zwangseingemeindeten Gemeinden einen Ortschaftsrat bilden dürfen und dass in den Gemeinden mit mehr als 30 % neue Gemeindebürger eine neue Kommunalwahl stattfinden muss. In Gemeinden, bei denen weniger neue Bürger hinzukommen, findet dann keine neue Gemeinderatswahl statt, so dass diese Bürger für den Rest der Legislaturperiode nicht im Gemeinderat der gesamten Gemeinde vertreten sind.

 

Hier stellt sich dann die Frage, ob eine Verfassungsbeschwerde Erfolg haben könnte, so dass dann auch in diesen Gemeinden eine Kommunalwahl für die gesamte Gemeinde stattfinden muss. Die 30 % Klausel ist für den Landtag schwer zu begründen.

 

II. Vorgangsweise

 

1. Klage vor dem Verwaltungsgericht Magdeburg oder Halle (Saale)

 

Ein Bürger der jeweiligen Einzelgemeinden in Gemeinde klagt gegen die rechtsfehlerhafte Durchführung der Anhörung der Bürger der Heimatgemeinde. Der Gesetzgeber hatte die Klagemöglichkeit ausdrücklich in § 55 S. 2 Kommunalwahlgesetzes Landes Sachsen-Anhalt ausgeschlossen, so dass keine Fristen beachtet werden müssen. Das Verwaltungsgericht musste nun feststellen, ob der Ausschluss der Klagemöglichkeit rechtmäßig ist.

 

Die Klage wird beim entsprechenden Verwaltungsgericht Magdeburg oder Halle (Saale) eingereicht.

 

2. Einlegung eines Antrag auf einstweilige Anordnung beim Landesverfassungsgericht durch die jeweilige Gemeinde

 

Der Antrag auf einstweilige Anordnung sollte nachdem dem 6. / 7. Mai 2010 eingereicht werden, um den Vertretern der jeweiligen Gemeinde nicht die Möglichkeit zu verbauen, noch einmal ihre Argumente vor den Vertretern des Innenausschusses des Landtages von Sachsen-Anhalt vorzutragen.

 

3. Verfassungsbeschwerde nach Art. 75 Ziff. 7 Verfassung des Landes Sachsen-Anhalt (Verf LSA)

 

Die Gemeinde könnte nach der Verabschiedung des Landesgesetzes wegen der Verletzung des Rechts auf Selbstverwaltung nach Art. 2 Abs. 3 und Art. 87 Verf LSA Verfassungsbeschwerde erheben.

 

Die Frist zur Erhebung der Verfassungsbeschwerde beginnt mit der Verkündung des Gesetzes über die Neugliederung der Gemeinden im jeweiligen Landkreis und endet spätestens mit der Auflösung der Gemeinde, entsprechend des Landesgesetzes.

 

4. Verfassungsbeschwerde des Bürgermeisters nach Art. 75 Ziff. 6 Verf LSA

 

Eine Verfassungsbeschwerde des Bürgermeisters vor dem Landesverfassungsgericht wird eingereicht, da sein Grundrecht, Art 7 Verf LSA – Gleichheitsgrundsatz – verletzt ist. Der Bürgermeister hat nicht wie in den anderen Gemeinden die Möglichkeit als Ortsbürgermeister und Vorsitzender des Ortschaftsgemeinderates weiterhin für die Gemeinde tätig zu sein.

 

5. Klage eines Gemeinderates vor dem Verfassungsgericht

 

Die Verletzung eines Grundrechts, eines grundrechtsgleichen Rechtes oder sonstiger staatsbürgerlicher Rechte ist nicht gegeben, da die Grundrechte der Verfassung von Sachsen Anhalt, Art. 4 – 23 Verf LSA nicht verletzt sind. Auch Art. 90 Verf LSA, der die Gebietsänderungen regelt, führt nicht zu einer anderen Beurteilung. Eine Klage vor dem Verwaltungsgericht wegen der Beendigung der gemeindlichen Mitwirkung ist ebenfalls nicht möglich.

 

Vor dem Bundesverfassungsgericht wird nach Art. 19 Abs. 4 S. 1 Grundgesetz (GG) i.V.m. Art 20 Abs. 1 GG – Demokratieprinzip – Verfassungsbeschwerde eingereicht, da ein Gemeinderat sonst keine Möglichkeit hat bei einem anderen Gericht Rechtsschutz zu erlangen.

 

6. Verfassungsbeschwerde eines Bürgers der Gemeinde vor dem Landesverfassungsgericht nach Art. 75 Ziff. 6 Verf LSA

 

Die mögliche Zwangseingemeindung der Gemeinde führt nicht zu einer erneuten Gemeinderatswahl, da beide Gemeinden nicht 30 % der Einwohner der gesamten Einheitsgemeinde darstellen.

 

Ein Bürger der betroffenen Gemeinde erhebt Verfassungsbeschwerde vor dem Landesverfassungsgericht ein. Das Land Sachsen-Anhalt ist ein demokratischer Rechtsstaat, Art 2 Abs. 1 Verf LSA, so dass eine Verletzung dieses Grundrechtes darin gesehen wird, dass durch die Zwangseingemeindung in die Einheitsgemeinde die demokratische Mitwirkung des einzelnen Bürgers bis zur nächsten Gemeinderatswahl nicht gewährleistet ist. Die Bürger der jeweiligen Gemeinden haben den Gemeinderat der Einheitsgemeinde nicht mit gewählt, so dass sie in den nächsten fünf Jahren keine Vertretung in dem Gemeinderat haben.

 

Die mögliche Wahl eines Ortschaftsrates, so der derzeitige Gesetzentwurf der Landesregierung, ersetzt nicht die demokratische Mitwirkung im Gemeinderat der Einheitsgemeinde, denn nur der Einheitsgemeinderat entscheidet über die Verteilung der Haushaltsmittel.

7. Konkrete Vorgehensweise

Die erste Klage vor dem Verwaltungsgericht Magdeburg oder Halle (Saale) aufgrund der Fehler der Anhörung könnte relativ zeitnah eingelegt werden und es bliebe dann abzuwarten, ob die weiteren Klagen eingereicht werden. Auf jeden Fall ist die Anhörung im Landtag am 06./07. Mai eine entscheidende Weichenstellung, denn der ursprüngliche Gesetzentwurf soll nach den Vorstellungen der Regierungsfraktionen CDU/SPD noch verändert werden.

 

Der Streitwert der ersten Klage beträgt € 5.000.-, so dass Kosten in Höhe von max. 2.300.-auf die jeweilige Gemeinde zukommen.