I.              Sachverhalt

Die 1993 geborene Klägerin des zugrunde liegenden Streitfalls, eine armenische Volkszugehörige, lebt seit 2002 zusammen mit ihren Eltern und Geschwistern in Deutschland. Nach erfolglosen Asylverfahren wurde die Familie im Bundesgebiet geduldet, weil sie außer einer vom Vater der Klägerin vorgelegten Geburtsurkunde, die nach den Ermittlungen der zuständigen Ausländerbehörde für eine andere Person ausgestellt worden war, keine Identitätsnachweise erbrachte. Ein Antrag der Klägerin auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis wurde von der Ausländerbehörde nicht beschieden. Die Erteilung einer Aufenthalts­erlaubnis nach der im Juli 2011 eingeführten Bleiberechts­regelung für gut integrierte Jugendliche und Heranwachsende setzt in der Regel voraus, dass die Identität des Ausländers geklärt ist. Von dieser Voraussetzung kann die Ausländerbehörde aber im Ermessenswege absehen, das hat das Bundes­verwaltungs­gericht in seinem Urteil vom 14.05.2013 – BVerwG 1 C 17.12 – entschieden.

II.            Entscheidung

Die  Ausländerbehörde muss bei der notwendigen Ermessensentscheidung alle für und gegen die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis sprechenden Gründe berücksichtigen. Die erste Instanz, das Verwaltungsgericht, verpflichtete die Ausländerbehörde, der Klägerin eine Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25 a Abs. 1 Aufenthaltsgesetz, Aufenthaltsgewährung für gut integrierte Jugendliche und Heranwachsende, zu erteilen. Die zweite Instanz, das Oberverwaltungsgericht, hat diese Entscheidung geändert und die Ausländerbehörde lediglich zur Bescheidung verpflichtet. Es hat dies damit begründet, dass die Klägerin nicht die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen erfülle, da ihre Identität und Staatsangehörigkeit ungeklärt seien und sie ihrer Passpflicht nicht nachkomme. Von diesen Voraussetzungen könne aber im Ermessenswege abgesehen werden. Die Klägerin habe daher nur einen Anspruch, dass die Ausländerbehörde von diesem Ermessen fehlerfreien Gebrauch mache und damit jeden Einzelfall prüft. Die Klägerin erfüllt zwar die besonderen Tatbestandsvoraussetzungen für ein eigenes, vom aufenthaltsrechtlichen Status der übrigen Familie unabhängiges Bleiberecht für gut integrierte Jugendliche und Heranwachsende, § 25 a Abs. 1 AufenthG. Der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis steht insbesondere kein zwingender Versagungsgrund entgegen, da sie selbst keine falschen Angaben gemacht und nicht über ihre Identität oder Staatsangehörigkeit getäuscht hat. Zu Recht ist das Berufungsgericht aber davon ausgegangen, dass auch bei diesem Aufenthaltstitel die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen, § 5 AufenthG,  grundsätzlich Anwendung finden. An deren Einhaltung besteht nach der Konzeption des Aufenthaltsgesetzes ein grundlegendes staatliches Interesse. Sie gelten daher für jeden Aufenthaltstitel, soweit sich aus dem Aufenthaltsgesetz nicht ausdrücklich etwas anderes ergibt. Auf dieses Regelungssystem hat der Gesetzgeber auch bei der Einführung eines Aufenthaltsrechts für gut integrierte Jugendliche und Heranwachsende zurückgegriffen.

III.           Praxistipp

Die zuständige Ausländerbehörde muss daher zwischen privatem Interesse der Klägerin und öffentlichem Interesse an Legalisierung des Aufenthalts abwägen und bei der Ermessensentscheidung hat die Ausländerbehörde alle für und gegen die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis sprechenden Gründe in der Ermessensentscheidung zu berücksichtigen.