Auswirkungen des 5. SGB XI Änderungsgesetzes

Das Bundeskabinett hat am 28.05.2014 den  Gesetzesentwurf zum 5. SGB XI Änderungsgesetz beschlossen, der mitterweile die parlamentarischen Gremien, Bundestag und -rat, passiert hat und der ab dem 01.01.2015 gültig ist.  Ziel des Gesetzes ist es nach den Vorstellungen der Bundesregierung und beider Kammern des Parlamentes,  die Stärkung der häuslichen Pflege, insbesondere durch die Leistungsverbesserung in der Kurzzeit-und Verhinderungspflege und  der  Tages-und Nachtpflege, sowie die daraus resultierende  Ausweitung und Flexibilisierung neuer,  ambulanter Wohnformen.

Schon heute versuchen Träger in Sachsen-Anhalt mit der Kombination von leistungsrechtlichen Tatbeständen den Pflegebedürftigen individuelle Versorgungsstrukturen zu ermöglichen. Es gibt  von Trägern initiierte Wohngemeinschaften, die eine angeschlossene Tagespflege betreiben. Die Mieter werden von dem Pflegedienst in der Wohnung versorgt und gehen anschließend in die, dem betreuten Wohnen oder der Wohngemeinschaft angeschlossen Tagespflege. Abends nach erfolgter Versorgung und Betreuung gehen die Tagespflegegäste wieder zurück in ihre eigenen Wohnungen und werden dort wiederum von einem Pflegedienst versorgt. Nunmehr plant der Gesetzgeber die ambulanten Leistungen massiv auszuweiten.

Bei einem Vergleich, der maximal möglichen Summe der Leistungsbeträge ambulant, nach den §§ 45b,36, 38a, 39 und 41 SGB XI und den Leistungsbeträgen stationär nach § 43 SGB XI fällt auf, dass in der Pflegestufe I bis zu € 723,50 monatlich mehr für ambulante Leistungen zur Verfügung stehen. In der Pflegestufe II steigt dieser Betrag auf bis zu  € 1.675,50 und in der Pflegestufe III steigt dieser Betrag auf bis zu € 2.021,50 monatlich an. Dieser Anstieg ist darauf zurückzuführen, dass die bisherige Kappungsgrenze bei der Tagespflege in § 41 Abs. 4-7 SGB XI aufgehoben werden soll und die Zuschläge nach § 123 in gleicher Höhe auf Leistungen der teilstationären Tages-und Nachtpflege ausgedehnt werden. Die Neuregelung bedeutet, dass neben der ambulanten Sachleistung die Leistungen der Tages-und Nachtpflege zu 100% in Anspruch genommen werden können.

Welche Wirkungen wird diese Erweiterung  der ambulanten Leistungsgewährung auf die bisher etablierte  stationäre Pflege  haben?

Die bisherigen Betreiber von vollstationären Pflegeeinrichtungen haben durch diese Ausweitung der  ambulanten Versorgungsmodelle die, befeuert durch die Leistungsgewährung im SGB XI  eine schnelle und weite Verbreitung finden werden, eine  Konkurrenz zu fürchten.

Die Betreiber von vollstationären Pflegeeinrichtungen haben eine Fülle von baurechtlichen und landesrechtlichen Vorschriften zu beachten. Für sie gelten Personalschlüssel und -quoten. Diese Betreiber werden jährlich überwacht und zwar vom MDK und der Heimaufsicht. Diese ordnungsrechtliche Überwachung  trifft  für  ambulante Versorgungsmodelle nicht zu. Ein Pflegedienst kennt keine Personalschlüssel und keine Personalquoten nach Hilfs-und Fachkräften. Soweit die Pflegebedürftigen  Mieter einer Wohnung sind, ist die ordnungsrechtliche Einstufung als trägergesteuerte Wohnform in keinem Fall sicher. Damit entfällt auch die heimaufsichtsrechtliche Überwachung, die in vielen dieser Wohnformen in dieser Leistungsgewährung auch nur eingeschränkt ausgeübt wird.

Fazit:  Das umfangreiche Ordnungsrecht der Länder wird durch die Veränderungen der Leistungsbeträge im SGB XI nur noch eingeschränkt greifen, so dass sich die Frage stellt, ob die Konsequenzen bedacht worden sind. In den ambulanten Bereichen können Mietverträge geschlossen werden, während im stationären Sektor das Wohn- und Betreuungsvertragsgesetz (WBVG) gilt. Der Verbraucherschutz und der Schutzgedanke des Ordnungsrechts werden so in den Hintergrund gedrängt.

Es wird relativ schnell Fälle geben, in denen  die Bewohner einer  vollstationären Pflegeeinrichtung und deren Angehörige darum bitten werden, dass sich eine vollstationäre Pflegeeinrichtung in eine ambulant organisierte Wohnform umwandelt, damit die Eigenanteile der Betroffen sinken. Es werden aber auch Träger von vollstationären Pflegeeinrichtungen von sich aus ihre bisherige vollstationäre Pflegeeinrichtung in eine ambulante Wohnform umwandeln. Allein aus dem Grunde, weil weder die Pflegebedürftigen noch deren Angehörige diese leistungsrechtlichen Unterschiede ohne Not weiter aus eigenem Einkommen oder Vermögen bezahlen möchten oder können.

Falls diese Entwicklung eintreten würde, käme diesmal eine weitere Kostenbelastung auf die Krankenkassen zu. Nach § 43 Abs. 2 S. 1  SGB XI werden die Aufwendungen der medizinischen Behandlungspflege von den Pflegekassen in vollstationären Pflegeeinrichtungen mitgetragen, während in der ambulanten Pflege diese Leistungen gesondert gegenüber den Krankenkassen nach § 37 SGB V abgerechnet werden. Mit dem neuen Gesetz, ab dem 01.01.2015, wird die vollstationäre Pflege wegen der massiven Ungleichbehandlung in den Leistungsbeträgen u.U. ein Auslaufmodell werden.

Investoren kann nur geraten werden zu handeln, dies gilt natürlich auch für einen möglichen Erwerb von vollstationären Pflegeeinrichtungen, weil deren Marktchancen unter diesen Umständen in keinem Fall abgeschätzt werden können.