Stichwort: Wohnraummietrecht

I.              Sachverhalt

Die Mieter, die in der Wohnung mehrere Katzen hielten, die das Haus nicht verlassen durften und auch zwei Aquarien und ein Terrarium aufgestellt hatten und wegen der Tiere nur eingeschränkt lüfteten, hatten dem Vermieter mitgeteilt, dass sich im Haus aufgrund baulicher Mängel Schimmel und Kondenswasser bildete. Sie verlangten Abhilfe, die der Vermieter ablehnt, da er davon ausging, dass das Heizungs- und Lüftungsverhalten der Mieter für die Schimmel- und Kondenswasserbildung verantwortlich war. Daraufhin minderten die Mieter die vertraglich vereinbarte Bruttomiete um 20%. Der Vermieter kündigte wegen eines Rückstands, der mehr als zwei Monatsmieten überschritt und klagte auf Zahlung und Räumung.

II.            Problemstellung

Der Vermieter hat gegen den Mieter, der seinen Zahlungsverpflichtungen nicht nachkommt u.U. neben dem reinen Zahlungsanspruch auch noch einen Räumungsanspruch gemäß § 546 BGB. Das setzt voraus, dass der Rückstand zur außerordentlichen Kündigung gemäß § 543 Abs. 2 Nr. 3 BGB oder zur ordentlichen Kündigung gemäß § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB berechtigt und der Vermieter von diesem Gestaltungsrecht auch Gebrauch gemacht hat. Auf der anderen Seite soll der Mieter bei Mängeln geschützt werden, indem sich die Miete gemäß § 536 Abs. 1 BGB automatisch mindert. Das bedeutet, dass der Mieter in diesem Fall eben weniger als vereinbart schuldet. Problematisch ist nun, dass der Zahlungsrückstand zwischen vereinbarter und gezahlter Miete sich vermeintlich leicht berechnen lässt, die Minderung der Miete aber häufig erst nach einer Beweisaufnahme zu ermitteln ist. Hierbei kann es nun zu Divergenzen kommen, die im Extremfall den Mieter die Wohnung kosten können oder auch den Vermieter nicht unerheblich Geld kosten können, da er einen Räumungsprozess verliert, dessen Streitwert bekanntlich die Jahresmiete ist. Genau mit dieser Ausgangssituation hat sich der BGH in der vorliegenden Entscheidung befasst.

Das Amtsgericht hat nach Einholung eines Sachverständigengutachtens einen zur Minderung berechtigenden Mangel des vermieteten Anwesens verneint und der Klage in vollem Umfang stattgegeben.

Das hat der BGH anders gesehen. Nach Ansicht des Senats entfällt der Verzug der Mieter vorliegend nicht deshalb, weil die von ihnen vorgenommene Mietminderung angesichts der zunächst unklaren Ursache der Schimmelpilzbildung nicht „offensichtlich unberechtigt“ gewesen und der Mietrückstand deshalb von ihnen nicht zu vertreten sei.

Er nimmt vielmehr Bezug auf seine Rechtsprechung zur Zurechnung eines Beraterverschuldens. Dort hatte der Senat bereits entschieden, dass nach höchstrichterlicher Rechtsprechung an das Vorliegen eines unverschuldeten Rechtsirrtums grundsätzlich strenge Maßstäbe anzulegen sind. Der Schuldner muss die Rechtslage unter Einbeziehung der höchstrichterlichen Rechtsprechung sorgfältig prüfen. Entschuldigt ist ein Rechtsirrtum nur dann, wenn der Irrende bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt mit einer anderen Beurteilung durch die Gerichte nicht zu rechnen brauchte. Bei einer zweifelhaften Rechtsfrage handele bereits fahrlässig, wer sich erkennbar in einem Grenzbereich des rechtlich Zulässigen bewegt, indem er eine von der eigenen Einschätzung abweichende Beurteilung der rechtlichen Zulässigkeit des fraglichen Verhaltens in Betracht ziehen muss. Der Schuldner dürfe nicht das Risiko einer zweifelhaften Rechtslage dem Gläubiger zuschieben.

Diese auf den reinen Rechtsirrtum entwickelte Rechtsprechung hat der Senat vorliegend eins zu eins auf einen im Tatsächlichen liegenden Irrtum übertragen. Im Rahmen des § 543Abs. 3 BGB sei zugunsten des Mieters kein milderer Sorgfaltsmaßstab anzulegen. Nach § 286 Abs. 4 BGB komme der Schuldner nur dann nicht in Verzug, solange die Leistung aufgrund eines Umstandes unterbleibt, den er nicht zu vertreten hat. Nach allgemeinen Regeln, § 276 BGB, hat der Schuldner Vorsatz und Fahrlässigkeit zu vertreten. Wenn man hier nur „offensichtlich unbegründete“ Minderungen erfassen würde, würde dies nach Ansicht des Senats zu einer Beschränkung der Haftung auf grobe Fahrlässigkeit führen, was das Gesetz gerade nicht vorsieht.

Der BGH ist dabei der Ansicht, dass auch bei Anwendung seiner Beurteilung auf den Mieter, der das Risiko einer fahrlässigen Fehleinschätzung der Ursache eines Mangels zu tragen hat, kein unzulässiger Druck dahin ausgeübt werde, auf seine Rechte aus § 536 BGB zu verzichten. Der Mieter könne den Minderungsbetrag, den er für angemessen hält, unter dem einfachen, lediglich die Wirkungen des § 814 BGB ausschließenden Vorbehalt der Rückforderung an den Vermieter zahlen, so dass ihm die Möglichkeit bleibt, eine gerichtliche Klärung seiner Rechte herbeizuführen, ohne dem Risiko einer fristlosen Kündigung ausgesetzt zu sein.

Für den konkreten Fall der Mieter, die unstreitig kaum lüften und zahlreiche Tiere in der Wohnung halten, hat der Senat einfache Fahrlässigkeit bejaht. Sie hätten bei Anwendung verkehrsüblicher Sorgfalt erkennen können, dass die Ursache der Schimmelpilzbildung in ihrem eigenen Wohnverhalten lag. Es hätte sich Ihnen vielmehr die Vermutung aufdrängen müssen, dass das Vorhandensein von zwei Aquarien sowie eines Terrariums mit Schlangen eine die Schimmelbildung begünstigende höhere Luftfeuchtigkeit in der gemieteten Wohnung bedingte und somit an das Lüftungsverhalten entsprechend höhere Anforderungen zu stellen waren.

III.           Praxistipp

Für die Praxis ist diese Auffassung nicht unproblematisch. Die Beurteilung von Rechtsfragen ist nun einmal nicht so einfach, wie der BGH meint. Durch die einfache Einsicht in Belege lässt sich die Berechtigung einer Betriebskostenabrechnung ebenso wenig überprüfen wie die Ursächlichkeit eines Schimmelschadens. Hier mögen die Dinge wirklich etwas klarer gewesen sein, da das Wohnverhalten der Mieter anscheinend schon – mehr als – grenzwertig war. Aber in den üblichen Fällen eines vermeintlich normalen Wohnverhaltens in einem Altbau, ist die Beurteilung nun einmal nicht so klar. Hinzu kommt, und das weiß jeder Praktiker, dass die Auswahl des Sachverständigen häufig das Ergebnis vorgibt. Es gibt Sachverständige in diesem Bereich, die so gut wie ausschließlich zu einem nutzungsbedingten Fehlverhalten kommen und solche, die ebenso zielsicher zu einem bauwerksbedingten Mangel kommen. Wirklich gute und „neutrale“ Sachverständige sind leider anscheinend selten.