Nicht nur im Ausländer- und Asylrecht, sondern auch im übrigen Verwaltungsrecht, dauern die Verfahren relativ lange und führen dazu, dass man sich die Frage stellen kann, welches Recht zur Anwendung kommt, da es sich aufgrund der langen Verfahrensdauer geändert hat. Im konkreten Fall wendet sich der Kläger gegen die Androhung seiner Abschiebung in das Land, aus dem er im Rahmen einer humanitären Hilfsaktion gekommen ist.

Entscheidungsgründe

 Der gerichtlichen Beurteilung einer Abschiebungsandrohung ist jedenfalls dann, wenn der Ausländer aufgrund der Androhung noch nicht abgeschoben wurde oder noch nicht freiwillig ausgereist ist, grundsätzlich die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung des Tatsachengerichts zugrunde zu legen, so das Bundesverwaltungsgerichtes in seinem Urteil vom 22.03.2012 – Az.: 1 C 3. 11. Das liegt in der Konsequenz der neueren Rechtsprechung des Senats zum veränderten Zeitpunkt der maßgeblichen Sach- und Rechtslage für die gerichtliche Prüfung einer Ausweisung, Urteil vom 15. November 2007 – BVerwG 1 C 45.06 – BVerwGE 130, 20 Rn. 12, der Ermessensentscheidung über die Erteilung und Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis, Urteil vom 7. April 2009 – BVerwG 1 C 17.08 – BVerwGE 133, 329, Rn. 37 f. sowie der Rücknahme oder des Widerrufs eines unbefristeten Aufenthaltstitels, Urteil vom 13. April 2010 – BVerwG 1 C 10.09 – Buchholz 402.242 § 51 AufenthG Nr. 1.

Maßgeblich für die Änderung der Rechtsprechung war die Erwägung, dass die genannten Verwaltungsakte zu einer Aufenthaltsbeendigung führen könne, bei der in vielen Fällen dem Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens aus Art. 8 EMRK und dem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG auf freie Entfaltung der Persönlichkeit sowie bei familiären Bindungen dem Grundrecht aus Art. 6 GG besondere Bedeutung zukommt. Der diesen Freiheitsrechten immanente Verhältnismäßigkeitsgrundsatz spricht dafür, dass die Gerichte bei ihrer Entscheidung über einen aufenthaltsbeendenden Verwaltungsakt auf eine möglichst aktuelle, d.h. nicht bereits überholte Tatsachengrundlage abstellen. Sie sollen realitätsnah und aus Gründen der Verfahrensökonomie möglichst abschließend entscheiden können, Urteil vom 13. Dezember 2011 – BVerwG 1 C 14.10. Es liegt auf der Hand, dass diese Überlegungen erst recht für die Abschiebungsandrohung als vollstreckungsrechtliche Grundlage einer zwangsweisen Aufenthaltsbeendigung zutreffen. Ob auch bei einer bereits durchgeführten Abschiebung oder einer freiwilligen Ausreise auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung bzw. Entscheidung der Tatsacheninstanz oder aber den Zeitpunkt der Abschiebung bzw. Ausreise abzustellen ist, kann hier dahinstehen.

Rechtsänderungen während des Revisionsverfahrens sind zu beachten, wenn sie das Berufungsgericht zu berücksichtigen hätte, st. Rspr, etwa Urteil vom 11. Januar 2011 – BVerwG 1 C 1.10 – BVerwGE 138, 371 Rn. 10 m.w.N.. Maßgeblich sind deshalb im vorliegenden Fall die Bestimmungen des Aufenthaltsgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 25. Februar 2008 (BGBl I S. 162), zuletzt geändert durch Gesetz vom 20. Dezember 2011 (BGBl I S. 2854). Damit sind auch die Änderungen durch das Gesetz zur Umsetzung aufenthaltsrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union und zur Anpassung nationaler Rechtsvorschriften an den EU-Visakodex vom 22. November 2011 (BGBl I S. 2258) zu beachten.