a.         Direkte Anwendung

 

Neben der Verschuldens-und Gefährdungshaftung hat sich im Nachbarrecht eine dritte Säule etabliert: die verschuldensunabhängige Störerhaftung, der nachbarrechtliche Ausgleichsanspruch.

 

Dem beeinträchtigten Eigentümer/Besitzer steht nach § 906 Abs. 2 S. 2 BGB ein verschuldensunabhängiger Geldanspruch zu, wenn eine wesentliche Beeinträchtigung durch eine ortsübliche Benutzung des anderen Grundstücks herbeigeführt wird und nicht durch Maßnahmen verhindert werden kann, die Benutzern dieser Art wirtschaftlich zumutbar sind.

 

Die Beeinträchtigung ist also gerade rechtmäßig, führt aber zu einer Ausgleichspflicht.

 

b.        § 906 Abs. 2 S.2 BGB analog

 

§ 906 Abs. 2 S. 2 BGB wurde sowohl in personeller als auch in sachlicher Hinsicht ausgedehnt.

 

Im unmittelbaren Anwendungsbereich muss der Anspruchsteller Eigentümer des beeinträchtigten Grundstücks sein. Die Norm ist analog auf den Grundstücksbesitzer zu übertragen, dessen Abwehranspruch sich nach § 852 BGB richtet.

 

Nach gefestigter Rechtsprechung kommt § 906 Abs. 2 S. 2 BGB analog zur Anwendung, wenn von einem Grundstück im Rahmen seiner privat-wirtschaftlichen Nutzung Einwirkungen auf ein anderes Grundstück ausgehen, die über das Maß dessen hinausgehen, was ein Grundstückseigentümer nach den Bestimmungen des Nachbarrechts entschädigungslos hinzunehmen hat, gegen die gemäß § 1004 BGB vorzugehen dem betroffenen Eigentümer jedoch aus besonderen Gründen, rechtlicher oder tatsächlichen Natur versagt ist, so genannter nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch oder bürgerlich-rechtlicher Aufopferungsanspruch.

 

Dieser Ausgleichsanspruch ist Substitut für den verlustig gegangenen Anspruch aus § 1004 Abs. 1 BGB bzw. § 862 Abs. 1 BGB.

 

Der nachbarrechtliche Ausgleichsanspruch tritt somit an die Stelle des nicht einschlägigen primären Abwehrrechtes nach § 1004 Abs. 1 und kompensiert den Ausschluss primärer Abwehrrechte nach §§ 1004 Abs. 1, § 862 Abs. 1 BGB.

 

Die Höhe der Entschädigung richtet sich nach den Grundsätzen der Enteignungsentschädigung. Es wird also vom BGH in der Regel kein voller Schadenersatzausgleich gewährt.

 

Allerdings hat der Bundesgerichtshof, die Ausgleichsleistungen auf die vermögenswerten Betriebsnachteile erstreckt, die ihre Ursache in der Betriebsstörung haben. Die Nachteile ergeben sich dann aus der ungestörten Fortsetzung des Gewerbebetriebes und die dazu erforderlichen Aufwendungen. Entscheidend ist also dass der Schaden einer beweglichen Sache nicht eingetreten wäre, so der BGH, wenn der Besitzer seinen Unterlassungsanspruch hätte durchsetzen können und sich damit als Teil der diesem Besitzer durch die Betriebsstörung abverlangten Vermögenseinbuße darstellt.

 

Der BGH hat daher eine Ausgleichspflicht von Folgeschäden an beweglichen Sachen zugelassen.

 

Der Ausgleichsanspruch nach § 906 Abs. 2 S. 2 BGB gewährt keinen Schmerzensgeldanspruch, BGH V ZR 142/09.

 

Begründet wird dies dadurch, dass sich der Ausgleichsanspruch von einem Schadensersatzanspruch dadurch unterscheidet, dass die Entschädigung, die durch die zu duldende Einwirkung eintritt eine Vermögenseinbuße beseitigen soll, während der Schadensersatzanspruch der Wiederherstellen des Zustandes dient, der bestünde, wenn die Einwirkung nicht zu der unzumutbaren Beeinträchtigung geführt hätte. Auszugleichen sind somit vermögenswerte Nachteile, die ihre Ursache in der Eigentums-oder Betriebsstörung haben.

 

Voraussetzung für die Verpflichtung des Schädigers zur Zahlung eines Schmerzensgeldanspruch ist jedoch auch das Bestehen eines Schadensersatzanspruches, § 253 Abs. 2 BGB, der hier nicht vorliegt.

 

Kein Anspruch des Sondereigentümers analog § 906 II 2 BGB, wenn Nutzung des Sondereigentums durch Mangel am Gemeinschaftseigentum beeinträchtigt (arg. Keine widerstreitenden Interessen der Miteigentümer, BGH NJW 2010, 2347)