Stichwort: Wohnraummietrecht

I. Sachverhalt

Zwischen den Parteien besteht ein Mietvertrag, die Parteien streiten über die Höhe der Warmwasserkosten. Die von der Beklagten bewohnte Wohnung ist Teil eines für den Abriss vorgesehenen Plattenbaus mit 28 Wohneinheiten, von denen noch 7 belegt sind. Die Klägerin verteilte die Gesamtwarmwasserkosten zu 50 % auf die flächenanteiligen Grundkosten und zu 50 % auf den verbrauchsabhängigen Teil, entsprechend § 8 Abs. 1 Heizkostenverordnung (HeizkVO). Weil der hohe Leerstand des Gebäudes zu einem deutlichen Anstieg der noch auf die verbliebenen Mieter umgelegten Kosten für die Warmwasserbereitstellung geführt hat, hatte die Klägerin einen hälftigen Abschlag auf die verbrauchsabhängige Kostenposition vorgenommen. Die Beklagte ist der Ansicht, dass die Klägerin nicht nach der HeizKVO hätte abrechnen dürfen, sondern nur nach Flächenanteilen, so dass der Vermieter die Leerflächen sich anrechnen lassen muss.

II. Rechtliche Wertung

Nach Auffassung des LG Frankfurt/Oder, Urt. v. 17.12.2013 – 16 S 138/13 kann die Klägerin von der Beklagten keinen Ausgleich ausstehender Betriebskosten verlangen, weil sie den auf das Warmwasser entfallenden Kostenanteil nicht nach der insoweit entsprechend anzuwendenden Vorschrift des § 9a I HeizkVO berechnet hat. § 9a HeizkVO ist hier analog anwendbar, weil sich der anteilige Warmwasserverbrauch der Beklagten aufgrund der besonderen Situation des Leerstandes nicht ordnungsgemäß erfassen lasse. Allerdings setze § 9a HeizkVO voraus, dass der anteilige Wärme- oder Warmwasserverbrauch von Nutzern für einen Abrechnungszeitraum wegen Geräteausfalls oder aus anderen zwingenden Gründen nicht ordnungsgemäß erfasst werden kann. Tatsächlich ist aber hier der Verbrauch jedenfalls formell ordnungsgemäß erfasst und nach den Vorgaben der HeizkVO abgerechnet worden. Die Berechnung nach § 8 HeizkVO führte aber zu sachlich unzutreffenden und rechtlich unbilligen Ergebnissen. Der Berechnungsmodus sehe eine prozentuale Aufteilung der Gesamtkosten nach Verbrauch und Flächenanteil vor. Er könne allerdings dann zu unangemessenen Ergebnissen führen, wenn eine für große Leistungen und viele Wohnungen ausgelegte Heizanlage nur noch der Wärmebereitstellung für wenige Wohnungen dient. Denn in einem solchen Fall erhöhe sich zwangsläufig der prozentuale Anteil der Fix- an den Gesamtkosten. Dies könne dazu führen, dass der tatsächliche Fixkostenanteil den nach § 8 I HeizkVO mit maximal 50 % ansetzbaren Anteil deutlich übersteigt. Im Extremfall trage der letzte Mieter eines ansonsten leerstehenden Hauses 50 % der Gesamtkosten der Heizungsanlage über seinen – absolut betrachtet geringen – Verbrauchsanteil hinaus, weil er der alleinige Verbraucher ist.

Vorliegend entsprächen aufgrund der Verschiebung der Kostenanteile die auf die Beklagte umgelegten verbrauchsabhängigen Warmwasserkosten nicht ihrem tatsächlichen Kostenanteil. In einem solchen Fall sei die analoge Anwendung von § 9a HeizkVO geboten, weil der Verordnungsgeber den Fall des „Leerwohnens“ durch den Vermieter wegen eines beabsichtigten Gebäudeabrisses nicht bedacht hat. Denn der verbrauchsabhängige Teil der Warmwasserkosten müsse gem. § 8 I HeizkVO  mindestens 50 % betragen, obwohl diese Grenze hier zu unangemessenen Ergebnissen führt. Der in § 8 HeizkVO enthaltene Grundsatz der verbrauchsabhängigen Abrechnung finde dort seine Grenze, wo die verbrauchsabhängige Umlage zu einer unzumutbaren Mehrbelastung der Mieter mit Fixkosten führt, die auf leerstehende Wohnungen nicht nach Verbrauch umgelegt werden können. Es liege damit eine planwidrige Regelungslücke vor, die durch entsprechende Anwendung von § 9a I HeizkVO zu füllen sei. § 9a I HeizkVO erlaube eine angemessene Berechnung der Warmwasserkosten auf der Grundlage der Vorjahreswerte, in welche der konkrete Warmwasserverbrauch im streitgegenständlichen Zeitraum einfließen kann, und vermeide pauschale Abschläge zulasten des Vermieters, wie etwa in § 12 I HeizkVO.

Das LG Frankfurt/Oder hat wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache die Revision zugelassen. Aufgrund der demografischen Entwicklung und der städtebaulichen Struktur vieler ostdeutscher Städte sei damit zu rechnen, dass Fragen zur Betriebskostenabrechnung bei zum Abriss vorgesehenen und deshalb „leergewohnten“ Plattenbauten in einer Vielzahl von Fällen auftreten werden.

III. Praxishinweis

Auch bei der Umlegung von Betriebskosten gilt im Regelfall, dass der Vermieter das Vermietungs- und damit das Leerstandsrisiko zu tragen hat, BGH, Urteil vom 31.05.2006 – VIII ZR 159/05, NJW 2006, 2771. Dieser Grundsatz ist nicht nur von Bedeutung für eine Umlegung der Betriebskosten nach dem Flächenmaßstab des § 556a I 1 BGB, sondern hat Auswirkungen auch auf die Umlegung verbrauchsabhängiger Kosten nach erfasstem Verbrauch gem. § 556a I 2 BGB. Ihm gebührt Vorrang gegenüber der grundsätzlich zulässigen Umlegung der Gesamtkosten der Wasserversorgung nach erfasstem Verbrauch, wenn die einheitliche Umlegung zu einer unzumutbaren Mehrbelastung der Mieter mit den auf die leerstehenden Wohnungen mangels Verbrauchs nicht umlegbaren Fixkosten der Wasserversorgung führt. Eine derartige Verlagerung des Leerstandsrisikos vom Vermieter auf den Mieter muss der Mieter bei der Umlegung von Betriebskosten nicht hinnehmen, BGH, Urteil vom 06.10.2010 – VIII ZR 183/09, NJW 2010, 3645; Wall, WuM 2006, 443.

Der Grundsatz, dass der Vermieter das Leerstandsrisiko zu tragen hat, schränkt die nach § 556a I 2 BGB im Regelfall zulässige Umlegung der Gesamtkosten – etwa der Wasserversorgung – nach erfasstem Verbrauch allerdings nicht schon dann ein, wenn in einer größeren Abrechnungseinheit die eine oder andere Wohnung vorübergehend nicht vermietet ist. Dies führt noch nicht zu einer unzumutbaren Mehrbelastung der anderen Mieter; die Kosten geringfügiger Leerstände sind von den verbleibenden Mietern mitzutragen. Erst wenn Dauer und Umfang des Leerstands unter Berücksichtigung der Höhe der verbrauchsunabhängigen Kostenbestandteile eine für die Mieter nicht mehr hinnehmbare Mehrbelastung ergeben, ist der Vermieter verpflichtet, diesem Umstand durch eine Änderung des Umlegungsmaßstabs hinsichtlich der verbrauchsunabhängigen Kostenbestandteile Rechnung zu tragen oder den Mietern in anderer Weise einen finanziellen Ausgleich zu verschaffen. Über die Grenze zwischen einer noch zumutbaren und einer nicht mehr hinnehmbaren Mehrbelastung ist nach Treu und Glauben im Einzelfall zu entscheiden, BGH, Urteil vom 31.05.2006, a.a.O..