Staatsangehörige neuer EU-Mitgliedstaaten genießen nicht sofort die uneingeschränkte Arbeitnehmerfreizügigkeit im EU-Binnenmarkt. Alte Mitgliedstaaten konnten Übergangsbestimmungen einführen, um den Arbeitsmarktzugang aus den Beitrittsländern zu beschränken. Deutschland hatte hiervon Gebrauch gemacht.

Aufgrund der Übergangsbestimmungen, die in den Beitrittsverträgen geregelt sind, war die Beschäftigung der Staatsangehörigen von Ungarn, Polen, Tschechien, Slowakei, Slowenien, Estland, Lettland und Litauen bis 30.4.2011 in Deutschland genehmigungspflichtig.

Zum 01.05.2011 sind diese Übergangsbestimmungen ausgelaufen und Arbeitnehmer aus diesen 2004 beigetretenen Mitgliedstaaten können bei einem inländischen Arbeitgeber in Deutschland ohne Arbeitserlaubnis arbeiten. Für Bulgarien und Rumänien, die 2007 beigetreten sind, gelten die Übergangsbestimmungen hingegen noch bis 31.12.2013.

Arbeitnehmer aus EU-Mitgliedstaaten haben das Recht wie Inländer, innerhalb der europäischen Union einer unselbständigen Tätigkeit nachzugehen. Die Arbeitnehmerfreizügigkeit ist eine der Grundfreiheiten des europäischen Binnenmarktes. Sie ist in Artikel 45 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) verankert und bedeutet, sich als Arbeitnehmer frei in der EU zu bewegen, eine Beschäftigung zu suchen und mit inländischen Arbeitnehmern gleich behandelt zu werden.[divider]

Wichtigste Änderungen und Folgen

Die wichtigsten Änderungen und Folgen, die unmittelbar mit dem Auslaufen der Übergangsregelungen eingetreten sind:

  1. Wegfall der bisher notwendigen Arbeitsgenehmigung durch die Bundesagentur für Arbeit. Für eine Beschäftigung, unabhängig von Qualifikation, Beschäftigungsdauer und Branche, ist eine befristete Arbeitserlaubnis-EU oder eine unbefristete Arbeitsgenehmigung-EU gemäß § 284 Drittes Buch SGB nicht mehr erforderlich.
  2. Wegfall der Arbeitsgenehmigung der Bundesagentur für Arbeit für eine betriebliche Ausbildung in Deutschland.
  3. Keine Arbeitserlaubnis, keine Beschränkungen der Höchstbeschäftigungsdauer und kein besonderes Zulassungsverfahren über die Bundesagentur für Arbeit für Saisonarbeitnehmer.
  4. Die Öffnung der Möglichkeit für Beschäftigung bei inländischen Zeitarbeitsunternehmen und Einsatz als Leiharbeitnehmer.
  5. Für eine Beschäftigung im öffentlichen Dienst gelten die für alle Unionsbürger geltenden Einschränkungen für bestimmte Tätigkeiten (z.B. die Berufung in ein Richterverhältnis).

Die bereits vor dem Auslaufen der Übergangsbestimmungen anzuwendende Rechtslage für alle Unionsbürger bezüglich der aufenthalts- und melderechtlichen, arbeitsrechtlichen und sozialrechtlichen Regelungen gilt fort und wird aufgrund der umfassenden Arbeitnehmerfreizügigkeit zukünftig immer mehr an Bedeutung gewinnen.[divider]

Gesetzliche Bestimmungen

Artikel 45 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV)
(ex-Artikel 
39 EGV)

(1) Innerhalb der Union ist die Freizügigkeit der Arbeitnehmer gewährleistet.

(2) Sie umfasst die Abschaffung jeder auf der Staatsangehörigkeit beruhenden unterschiedlichen Behandlung der Arbeitnehmer der Mitgliedstaaten in Bezug auf Beschäftigung, Entlohnung und sonstige Arbeitsbedingungen.

(3) Sie gibt – vorbehaltlich der aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit gerechtfertigten Beschränkungen – den Arbeitnehmern das Recht,

  1. sich um tatsächlich angebotene Stellen zu bewerben;
  2. sich zu diesem Zweck im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen
  3. sich in einem Mitgliedstaat aufzuhalten, um dort nach den für die Arbeitnehmer dieses Staates geltenden Rechts- und Verwaltungsvorschriften eine Beschäftigung auszuüben
  4. nach Beendigung einer Beschäftigung im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats unter Bedingungen zu verbleiben, welche die Kommission durch Verordnungen festlegt.

(4) Dieser Artikel findet keine Anwendung auf die Beschäftigung in der öffentlichen Verwaltung.

 

 

Mariyana Marinova, LL.M.